Ein Appell an das Selbstbewusstsein
„Also Sie haben 1 Jahr dort gearbeitet, dann 2 Jahre dort und dann ein Jahr dort… Das sieht aber sehr Sprunghaft aus, finden Sie nicht?” Diese oder ähnliche Fragen sind mir in Bewerbungsgesrpächen zig mal an den Kopf geworfen worden. Rückblickend würde ich mir wünschen, ich wäre damals darauf gekommen, zu antworten “Seien Sie doch die Firma, von der ich nicht weg will.” Denn stattdessen habe ich stets die 0-8-15 Antworten aus der Schublade gekramt. „Keine Aussichten”, „erstklassiges Angebot” und ähnliches waren, was empfohlen wurde, denn schlecht über einen ehemaligen Arbeitgeber reden – aber das geht doch auf keinen Fall! Die Sache mit den ständigen Rechtfertigungen dem alteingesessenen Rollenverhältnis beim Bewerbungsgespräch und der einseitigen Machtverteilung im Job ist bizarr und es liegt recht oft an der Einstellung, mit der Bewerber und Arbeitgeber an das Thema Arbeit gehen. Deshalb ist die Frage, um die es hier geht: Wie werde ich glücklich im Beruf und was heißt das eigentlich?
Wollen die mich oder will ich die?
Seien wir mal ehrlich: Viele von uns denken sich bei der Bewerbung, dass wir den Arbeitgeber von uns überzeugen müssen. Wir bekommen Schweißausbrüche bei dem Gedanken an eventuelle Lücken im Lebenslauf oder wenn ein Teil der Ausschreibung nicht auf unsere Kompetenz auf dem Papier passt. Aber macht sich der HR-Manager oder der Teamleiter Gedanken darüber, ob es genug Vorteile für Mitarbeiter gibt oder ob das Arbeitsumfeld attraktiv genug auf die Bewerber wirkt. Die Frage ist doch: Wieso sind nur die Bewerber nervös? Braucht der Arbeitgeber nicht genauso einen Angestellten wie der Bewerber eine Stelle?
„Aber der Arbeitgeber hat eine große Auswahl an Bewerbern” heißt es dann von vielen. Sorry, aber na und? Hat der Arbeitnehmer nicht auch eine große Auswahl an Stellen? Natürlich ist das stark vereinfacht, aber es geht um die Einstellung, mit der man an die Sache herangeht. Wenn man nicht 100% auf die ausgeschriebene Stelle passt, erfüllt man ggf. Kriterien, an die bei der Ausschreibung gar nicht gedacht wurde oder mit denen man sich vom Pool der Bewerber absetzt. Natürlich wirst du nicht jeden Job bekommen, aber das ist auch gar nicht Sinn und Zweck der Sache. Es sollte darum gehen, dass man sich nicht als Lamm zur Schlachtung bei dem Bewerbungsgespräch aufstellt, sondern es als das sieht, was es ist: Ein Gespräch, also ein Austausch. Beide Seiten wollen etwas, beide Seiten bieten etwas. Die Frage ist: Passen die Puzzleteile zusammen oder sind es zwei Eckstücke?

Glücklich im Beruf?
Der Unsinn zieht sich größtenteils auch durch das Arbeitsverhältnis hindurch. Das Stichwort lautet Probezeit. Hallo? Wann hat sich das denn etabliert, dass nur der Angestellte auf Probe ist? Da sitzt du nun, in deinem frisch erlangten Job und versuchst dem Chef zu zeigen, dass er keinen Fehler gemacht hat. Gerne nimmst du längere Arbeitstage in Kauf, wagst es nicht, aus der Reihe zu tanzen. Es ist nur beispielhaft und vielleicht überspitzt, aber es kommt vor und nicht zu selten. So ein Verhalten wird in der Regel mit offenen Armen empfangen. Wie oft aber strengt sich der Arbeitgeber in solchem Maße an, die zu beweisen, dass du keinen Fehler gemacht hast? Wie oft stellen sich viele der angepriesenen Vorteile als Halbwahrheiten oder falsche Versprechen heraus?
Ich weiß, das klingt dystopisch und überspitzt. Ist es auch ein wenig. Aber das hier soll keinesfalls eine Wutschrift an alle Arbeitgeber der Welt sein; Ebenso wenig geht es mir um eine bestimmte Firma. Es geht um ein Missverständnis, das einfach noch nicht wirklich aus der Welt geräumt wurde. Es geht darum, dass man glücklich im Beruf sein könnte. Es ist noch nicht in allen Firmen angekommen – manchmal habe ich das Gefühl, dass es nur bei wenigen überhaupt geklopft hat:
Wir müssen nicht dankbar dafür sein, 40+ Stunden minus Mittagspause im Büro sitzen zu dürfen. Wir müssen nicht dankbar dafür sein, den Laptop mit nach Hause nehmen zu dürfen, damit wir dort noch ein bisschen mehr arbeiten dürfen. Wir müssen auch nicht dankbar dafür sein, dank Handy und Co jederzeit erreichbar zu sein um Fragen von Kunden oder Kollegen beantworten zu können.
Es ist schade, dass wir dafür dankbar sind, dass wir zwischen 8:00 und 8:15 erscheinen dürfen, weil Gleitzeit. Es ist schade, dass wir dafür dankbar sind, dass es Kaffee und Wasser kostenlos auf der Arbeit gibt. Es ist schade, dass wir dankbar dafür sind, wenn gute Arbeit nicht ignoriert wird.
Es sollte selbstverständlich sein, dass gute Arbeit wertgeschätzt und belohnt wird. Es sollte selbstverständlich sein, dass es – nach Möglichkeit – flexible Arbeitszeiten gibt, die sich an die Bedürfnisse der Mitarbeiter richten. Es sollte selbstverständlich sein, dass man mehr geboten bekommt, als “nur” einen Job.

Habt ihr schon gehört?
Es geht auch anders. Es gibt sie, die Firmen, die es verstehen, ihre Mitarbeiter zu hegen und zu pflegen und sie vor allen Dingen wertzuschätzen. Es gibt die Firmen, die wissen, dass wir einen Großteil unseres Lebens auf der Arbeit zubringen und dass es deshalb wichtig ist, diese angenehm zu gestalten. Es gibt Firmen, die das Potenzial ihrer Angestellten erkennen und dieses fördern. Es gibt Firmen, die wollen, dass ihre Angestellten glücklich im Beruf sind.
Aber genug von der Dreifaltigkeit. Es gibt wirklich tolle Arbeitgeber, bei denen man vielleicht sogar gerne zur Arbeit kommt. Sie schaffen eine positive Kultur und begegnen ihre Mitarbeiter auf Augenhöhe. Webseiten wie Glassdoor helfen dabei, solche Firmen ausfindig zu machen und erstellen jährlich Rankings von den besten Arbeitgebern. Bei diesen Rankings erhält man aber auch leicht den Eindruck, dass die besten Arbeitgeber alle riesige Konzerne sind. Von SAP bis Porsche und Daimler ist wirklich so gut wie jeder Name bekannt. Da denkt man leicht: Viele Mitarbeiter heißt auch viele Bewertungen und größere Chance, gut dazustehen. Es gibt tatsächlich aber auch Rankings für kleinere Unternehmen, aufgestellt gegen Unternehmen ähnlicher Größe.
Ich glaube, ein weit verbreiteter Irrglaube ist, dass große Unternehmen ihre Mitarbeiter als Zahl betrachten und Startups sozusagen der heilige Gral der Arbeitsplätze sind. Ich reiße das Pflaster mal ganz schnell ab: Nein. Ich habe beides erlebt und von beidem gehört. Mal ist es so, mal ist es anders. So einfach ist es halt einfach nicht, liebe Kinder. Denn, und das ist der springende Punkt, wie gut ein Arbeitsplatz ist hängt immer mit den Menschen zusammen, die diesen (mit)gestalten. Ein einzelner – befähigter – Störenfried kann auch das beste Konzept vor die Wand fahren und daraus eine Schreckensherrschaft machen. Es gibt sie überall, diese Störenfriede (denn genau das machen sie, den Frieden stören), die Egoisten und die Machthungrigen. Die Spreu trennt sich vom Weizen wenn sie keine Entscheidungsgewalt erhalten.

Der Traumjob wartet, hab die Geduld
Finde nicht nur die Stelle für dich, finde auch die Firma für dich. Setze dich nicht auf die Anklagebank, sondern in eine Schale der Waage. Ist sie ausgeglichen, herzlichen Glückwunsch. Ist deine Seite stärker beladen, findest du bestimmt etwas passenderes. Und nutze die Probezeit nicht nur, um deinen Wert zu beweisen, sondern teste auch den deines Arbeitgebers. Innerhalb der Probezeit ein Unternehmen zu verlassen ist nichts, wofür man sich rechtfertigen muss. Nicht 100% oder mehr auf eine Stellenanzeige zu passen ist kein Grund, sich nicht dafür zu bewerben. Werde glücklich im Beruf!
Cheerio,
Anna
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